• rheinhessische Kartoffelbrühe • rhoihessische Kardoffelbrieh •

 

Ob es sich hierbei, wie der Name des Gerichts vermuten ließe, tatsächlich um eine regionale Spezialität handelt, kann ich leider nicht sagen. Denn tatsächlich ist dieses Gericht mir nie und nirgends abseits der mütterlichen Kochkunst begegnet (um so mehr ein Gebot sozialer Nächstenliebe, diese Köstlichkeit endlich weithin bekannt zu machen). Tatsächlich heißt die

rheinhessische Kartoffelbrühe

in Wirklichkeit nicht mal rheinhessische Kartoffelbrühe. Sie heißt einfach nur Kartoffelbrühe bzw. – so auszusprechen von echten Rheinhessen – Kardoffelbrieh oder -brüh. Hierbei verweist, ganz klar, Kartoffel auf das verwendete Rohmaterial, Brühe hingegen auf die zu erzielende Konsistenz. Die Brühe ist eben nicht so flüssig wie eine Suppe, jedoch deutlich flüssiger als ein Brei.

 

Zur Herstellung dieser Köstlichkeit benötigen Sie:

An Gerätschaften brauchen Sie außerdem:

1 Kochplatte und 1 Kochtopf (wie groß, das hängt von der vorgesehenen Menge ab), 1 kleines Küchenmesser oder 1 Kartoffelschäler, 1 elektrisches Rührgerät, 1 Kochlöffel, 1 Suppenkelle, Suppenteller oder -schüsseln und Esslöffel (wie viele ist abhängig von der Anzal der zu verköstigenden Personen).

Na, dann suchen Sie doch schon mal alles zusammen. Derweil schaue ich mal, was es so zur Kartoffel zu berichten gibt.

Fortsetzung folgt...

 

 

Wissen Sie überhaupt, was es mit der Kartoffel auf sich hat?
Nein?... Nun, dann wird es höchste Zeit, diese Wissenslücke zu stopfen.

Zumindest notdürftig, denn – zugegeben – viel mehr als nichts weiß ich auch nicht darüber. Außer vielleicht, dass die Kartoffel ein Nachtschattengewächs ist. Was für eine lyrische Bezeichnung für ein so giftiges Ding! Denn auch das ist die Kartoffel, bzw. die Kartoffelpflanze: Giftig! Das ist sie von der Knolle aufwärts – also alles, was von der Pflanze oben rausguckt – und auch von der Knolle "abwärts" – nämlich das, was aus ihr raussprießt, die Triebe.

Wie Knolle (die eigentliche Kartoffel) und Trieb sich zueinander verhalten, das können Sie gut selbst beobachten, wenn Sie eine Kartoffel nur lange genug aufbewahren und sie Ihnen nicht vorher verschimmelt. Die Triebe nämlich, die sich an der Knolle zunächst als Augen manifestieren, wachsen aus dieser verblüffend schnell heraus. Ganz offensichtlich zehren sie hierbei ihre Mutterknolle tüchtig aus, denn diese schrumpelt zusehends in ihrer Haut, bis sie – Knolle und Haut – schließlich regelrecht verdorrt aussehen und zu bröseln anfangen. Läge die triebhafte Kartoffel nun nicht bei Ihnen dumm rum, sondern in der Erde, wo sie ja eigentlich hingehört, dann würde jede einzelne Kartoffel wiederum 5 bis 20 neue Knollen treiben.

Die Kartoffel ist also ebenso fruchtbar wie triebhaft. Da sie segensreicher Weise außerdem auch sehr nahrhaft ist, hat sie ab etwa dem 16. Jahrhundert von ihrer Heimat, den Anden, aus ihren Siegeszug in die Welt angetreten. Sie gelangte nach Europa und im 18. Jahrhundert auch nach Nordamerika. Neben der globalen erfuhr sie auch eine soziale Ausbreitung, nämlich von einer zunächst dem reichen Adel vorbehaltenen Delikatesse hin zum Grundnahrungsmittel für die breite Bevölkerung.

 

...Fortsetzung

Nun, ich hoffe, dass die hier vorgestellte rheinhessische Kartoffelbrühe einen eben solchen Siegeszug antreten wird, wozu ich ihr gerne den Weg bereiten will. Haben Sie inzwischen alles zusammen gesucht?

Dann gehen Sie nun bitte wie folgt vor:

Schälen und vierteilen Sie die Kartoffeln. Sie können die Kartoffeln natürlich auch sechs- und achtteilen... vorausgesetzt, Sie haben an der Schale nicht so viel Kartoffel dran gelassen, dass von dieser kaum mehr was übrig ist. Je kleiner die Stücke sind, umso schneller geht's gleich mit dem Kochen. Die geschälten und gevier(sechs-, acht-)teilten Kartoffeln in den Topf, mit Salz bestreuen, Wasser drüber, 1 Bouillonwürfel oder etwas Bouillonpulver hinein, Deckel drauf und ab auf die heiße Herdplatte.

Sicher wissen Sie, wie man prüft, ob die Kartoffeln denn schon gar sind oder nicht. Sie können hierzu das Küchenmesser verwenden, alternativ aber auch eine Gabel oder einen kleinen Spieß und damit die Kartoffel pieksen. Wenn sie sich nicht mehr wehrt, sprich: wenn die Spitze Ihrer Wahl leicht in die Kartoffel eindringt, ohne dass diese spürbar größeren Widerstand leistet, dann ist sie gar.

 

Alles klar? Dann kommen wir nun zur nächsten Phase der Zubereitung:

Eventuell müssen Sie nun etwas Wasser abschütten. Kippen Sie hierzu den Deckel auf dem Topf, halten Sie den Topf an den Henkeln und gleichzeitig mit den Daumen den Deckel auf dem Topf, und gießen Sie das Wasser ab, sinniger Weise vielleicht ins Spülbecken. Sollten Sie sich nun hierbei heiße Finger geholt haben, dann hätten Sie doch besser Topflappen zur Hilfe genommen. Sie müssen halt auch mal mitdenken!
Sollte sich sowieso nicht mehr viel Wasser im Topf befinden, können Sie es drin lassen. Sollte sich gar kein Wasser mehr im Topf befinden, dann sind aller Wahrscheinlichkeit nach Ihre Kartoffeln angebrannt.

Wenn Sie es noch nicht getan haben, schalten Sie jetzt die Herdplatte runter. Nehmen Sie das elektrische Rührgerät zur Hand und fangen Sie an zu rühren. Es würde übrigens weniger spritzen, wenn Sie das Rührgerät erst mal auf niedriger Stufe laufen ließen. Und nun geben Sie abwechselnd etwas Milch hinzu und rühren Sie, bis die Brühe die richtige Dicke hat. Sie sollte jetzt – erinnern Sie sich? – deutlich dickflüssiger sein als Suppe, aber auch deutlich flüssiger als Brei.

Sollten Sie Schlawiner übrigens der Ansicht sein, Sie hätten sich die ganze Arbeit bis hierher auch sparen können, indem Sie einfach Kartoffelpüree-Pulver aufquellen lassen... Ja, das hätten Sie natürlich tun können. Aber: Vergessen Sie's! Das schmeckt doch nicht! Und außerdem gehört alle bis hierher aufgebotene Mühe so unzertrennlich zum Ritual des Kardoffelbrüh-Kochens wie der Deckel zum Topf.

Sie können die Brühe nun würzen. Geben Sie nach Geschmack Salz, Pfeffer, Muskat und Majoran hinzu. Und werfen Sie ein paar Lorbeerblätter hinein. Und jetzt erhitzen Sie bei ganz niedriger Temperatur und rühren Sie dabei schön regelmäßig um (hierfür war der Kochlöffel vorgesehen). Rühren Sie nicht so oberflächlich, sondern setzen Sie den Kochlöffel immer schön auf dem Topfboden auf... Wir wollen schließlich nichts anbrennen lassen, nicht wahr?

Fortsetzung folgt...

 

 

Während Sie rühren, hab ich mir eine kleine Verschnaufpause verdient.
Um bei dieser Gelegenheit mal auf die Kartoffel zurück zu kommen...

Bei den Rheinhessen und auch bei den Hessen heißt die Kartoffel Kardoffel oder auch Karduffel, eigentlich auch mit jeweils eliminiertem r, also Kadoffel, zu sprechen. Im Hunsrück aber, da nennt man sie Krummbeere, vielleicht auch Krumbeere, ein Unterschied, der zwar die Aussprache nicht tangiert, wohl aber den möglichen Sinngehalt dieser Bezeichnung. Im ersten Fall nämlich schimpfte man die Kartoffel krumm oder bucklig, im zweiten Fall hingegen verwiese man auf den Ort, wo die Kartoffel gedeiht, in der Erde nämlich, den Krumen. Demnach ist also die Kartoffel eine Erdbeere. Diesen Namen beansprucht aber ja schon die süße, rote, obwohl die doch gar keine Beere ist, sondern eine Nuss. Und deshalb muss die Kartoffel sich mithin einen Erdapfel nennen lassen, obwohl sie doch ganz gewiss kein Apfel ist, sondern vielmehr eine Beere.

Am Mittelrhein und vielleicht auch überregional beheimatet ist auch der Begriff der Mords-Kardoffel. Mitnichten verweist dieser Begriff jedoch auf irgendwelche tödlichen Absichten oder Auswirkungen der Kartoffel. Vielmehr ist es eine überaus bewundernde Anerkennung des oder der als Mords-Kardoffel Bezeichneten im Sinne von Pfundskerl oder auch ein dickes Ding.

Zuguterletzt darf hier auch die heiße Kartoffel nicht unerwähnt bleiben, die wohl deutschlandweit für eine brenzlige Angelegenheit steht, die man schnellstmöglich los sein will. Wie eine heiße Kartoffel eben, an der man sich auch schnell mal die Finger verbrannt hat. Aber für diesen Hinweis ist es in Ihrem Fall natürlich schon zu spät.

...Fortsetzung

Die Brühe ist nun also schön heiß. Ist sie zu dick? – Dann müssen Sie noch mal ein bisschen Milch nachgießen. Ist Sie zu dünn? – Dann haben Sie Pech gehabt.
Ihre nächste Aufgabe besteht nun darin, die Lorbeerblätter wieder aus der Brühe raus zu angeln (Sie können sie auch drin lassen und stattdessen beim Essen jeden sich seine eigenen Lorbeeren verdienen lassen). Um es nun ganz ehrlich zu sagen: Ich könnte nicht behaupten, ob Lorbeerblätter drin oder nicht drin irgendeinen Geschmacksunterschied ausmachen. Aber das Mitköcheln und spätere Herausangeln von Lorbeerblättern gehört nun mal ebenso unzertrennlich zum Ritual des Kardoffelbrüh-Kochens wie die Suppe in den Topf.

Trommeln Sie nun Ihre Lieben zusammen!

Was nämlich die Leberwurst und den Essig angeht – dies gehört nicht so sehr zum Ritual des Kochens als vielmehr zum Tischritual. Als erstes kommt die Brühe in den Teller. Mit Essig empfehle ich, vorsichtig anzufangen... erst mal 1/3 Esslöffel, abschmecken, dann vielleicht etwas mehr, je nach Geschmack. Die Leberwurst wird nun in die Brühe gegeben und in ihr schön zerdrückt und dann verrührt. Je nach Leberwurst nimmt die Brühe nun eine leicht rötliche Farbe an oder ihren klassischen Grauton.

Tja, und nun müssen Sie nur noch auslöffeln, was Sie sich eingebrockt haben.

Es schmeckt köstlich! Wirklich, zweifelsfrei und unglaublich köstlich!... Und wehe, Sie erzählen irgendwas Anderes!

Anmerkungen zum Schluss:

Die Brühe kann man natürlich verfeinern. Zum Beispiel, indem man ihr noch eine Zwiebelschmelze hinzufügt. Ich tue das nicht. Als Single hingegen integriere ich das Tisch- in das Kochritual, gebe also Essig und Leberwurst in gewünschter Menge in die Brühe, wenn sie noch auf der Platte steht. Das hat den Vorteil, dass die Brühe dann beim Essen heißer ist. Kartoffelbrühe lässt sich übrigens ganz hervorragend einfrieren und dann portionsweise wieder auftauen und verzehren.


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